Das Leben nach aussen kehren
Freitag, 16. Februar 2007
Tag 8
Freitag, 16. Februar 2007, 21:01
Ich halte mich nach dem Aufwachen zurück, den Besitzer des Campingplatzes nicht zu umarmen. Der Junge hat uns vor dem Schlafen in einer stürmischen nächtlichen Sinflut bewahrt. Ausserdem denkt er selbstständig daran, mir meinen Personalausweis zurückzugeben, dem wir ihm als Vertrauensbeweis überlassen hatten. Klar dass mir das schon wieder entfallen war. Nach diesem Abend und dieser spüren wir eine große Liebe zu den Basken in uns ;-)
Dank des Chefkochs haben wir diesmal auch einen kompletten Plan für den Tag: Immer an der Küste entlang Richtung Westen laufen, dann nach Süden einknickend nach Guernika. Zur Erinnerung: Guernika wurde 1936 von der deutschen Legion Condor in einem Luftangriff nahezu vollständig zerstört. Die Legion Condor, eine Luftwaffeneinheit wurde den Spaniern im Bürgerkrieg von den Deutschen zur Verfügung gestellt.
Vielleicht eine Gewissenssache, dass ich mir Guernika anschauen wollte.
Also: Laufen. Gegen Mittag wird mir klar, dass der Weg doch nicht so kurz ist, anscheinend habe ich den Chefkoch nicht richtig verstanden. Später, beim Versuch von einem Berg auf einem Tierpfad abzusteigen, schlittern wir böse durch die Gegend. Ein Grund ist vielleicht, dass die Schuhe von Markus in ungefähr das Profil der bekannten Badelatschen aufweisen.
Auf dem Rückweg bergauf treffen wir in der Menschenleeren Gegend auf zwei junge Basken, die anscheinend auch auf einem Wandertrip unterwegs sind. Folgende Aktion entwickelt sich: „Ok, ihr wollt da runter? Schaut mal: Da gibt es einen Pfad“. „Wo?“. „Na da, sieht man kaum, aber: Da runter“. Und während wir uns glücklich abwärts bewegen, drängen sich in den Passagen, wo wir nicht rutschen immer wieder die letzten Worte der beiden in den Kopf: „Jungs, die Mädchen von Guernika ficken nicht gern. Ihr werdet euch einen runterholen müssen“. Das diese Worte gar philosophische Bedeutung haben, stellen wir erst in Guernika fest.

Kurz danach kommen wir in der Ebene an. Es eröffnet sich ein kleiner Strand, der wunderschön ist. Später werden wir ein Foto sehen, dass den Strand im Sommer zeigt – geflutet mit Menschen. Jetzt allerdings ist der Strand total leer.
Und irgendwie entfaltet sich in unseren Köpfen die Idee, dass es jetzt Zeit zum Baden ist.
Die einzig gangbare Möglichkeit für mich, den Atlantik zu betreten, erscheint schreiend hineinzurennen. Vgl. Gängige Taktiken im Kampfsport, durch Schreie Kraft zu verstärken.
Kurz darauf, belebt vom Meer, wieder on the road. Wir quälen uns gegen Guernika, bei Dunkelheit überbrücken wir die letzten 5km mit einem Bus. Zusammenrechnen am Abend ergibt ungefähr 36km in gebirgiger Landschaft, Rekord dieser Reise.

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Tag 7
Freitag, 16. Februar 2007, 20:57
Wir wachen in einem stickigen Zimmer der Jugendherberge auf, planlos. Ich schlage vor ein anderes Dorf an der Küste anzuschauen. Der Schalterbeamte am Bahnhof wirkt verwundert, als wir ihn nach diesem Dorf fragen: „Was wollt Ihr denn in Ondarroa?“. Und empfiehlt uns flugs ein anderes Dorf, das unweit entfernt liegt. Diese kleine Korrektur soll uns noch die zwei schönsten Tage der Reise bescheren. Nachmittags erreichen wir das Dorf. Hier ist wirklich nichts los, was aber eine sehr entspannende Wirkung auf uns hat. Markus präpariert die obligatorischen Bocadillos mit Brot, Olivenöl, Knoblauch und Schinken. Fieserweise überlässt er mir die Aufgabe, ein Nachtquartier zu suchen. Nachforschungen meinerseits fördern zutage: Es soll Herbergen geben, sogar einen Supermarkt. Und irgendjemand munkelt von einem Campingplatz, den Finger zu den Bergen richtend: „Da oben“. Wir machen uns auf den Aufstieg. Und auf diesem Weg erleben wir die beglückendste Erfahrung mit der baskischen Landschaft. Es ist so, wie mein Reiseführer sagt:
„Das Baskenland bietet keine historischen Monumente, keine majästische Architektur, keine Überraschungen und keine Erinnerungen an Geschehnisse einer mehr oder weniger sensationellen Vergangenheit. Das Erbe dieses Landes ist einfach und schicht, aber gleichzeitig subtil und eindringlich. Das einzige Monumentale, was das Baskenland dem Auge bietet, ist die Landschaft“.
Oder mit meinem eigenen Worten, die sich stumpf und roh anfühlen, aber direkt das Wesentliche provozieren: Sehr geil in den grünen Bergen aufzusteigen, mit jedem Schritt mehr Übersicht über das Meer zu gewinnen und die Details zu erkennen, die sich aus den Formen der Küste herausarbeiten.
Wobei dieser Satz dem Vorherigen ohn Zweifel an Länge und Feinheit unterlegen ist.

Später an diesem Abend stehen sich das Übernachten im Freien auf dem Campingplatz für 5€ gegen das Schlafen in einer Pension für 20€ entgegen. Naturverliebt entscheide ich mich für den Campingplatz. Der Besitzer kommentiert unser Vorhaben mit den Worten: „Ihr macht Dummheiten, Jungs. Diese Nacht gibt es einen großen Wetterumschwung“ und weist uns einen Schlafplatz im Waschmaschinenraum des Campingplatzes.

Die Entscheidung für den Campingplatz: Unser Glück. In der nahegelegen Bar treffen wir auf einen 19jährigen Kellner, der seinen Gästen Hardcoremusik zumutet und eigenen Bekenntnissen zufolge Antifaschistisch, Antikapitalistisch und noch einiges mehr ist. Seinen Worten zufolge wird er von Bier nicht betrunken – sein Rekord: 25 Liter Bier in weniger als 24h. Trotz bohrender Fragen in uns hinsichtlich Langzeitschäden geniessen wir den Abend und bekommen vom Chefkoch detaillierte Routeninformationen für den nächsten Tag.

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Tag 6
Freitag, 16. Februar 2007, 20:52
Unser Ziel für diesen Tag heisst San Sebastian. Ohne Frühstück quälen wir uns die Straße entlang, Richtung Busbahnhof. Im Bus wenden wir wieder die Stop und Go-Taktik an: Vor San Sebastian steigen wir in einem Dorf aus, dass als typisch baskisch beschrieben ist. Aber so richtig baskisch kommt uns das Dorf dann doch nicht vor. Nur die ETA-Logos, die wir an einige Wände gesprayt vorfinden, geben uns einen Hinweis auf das was hier im Verborgenen doch vorhanden ist.
Mit dem Bus machen wir uns wieder auf den Weg. In einem Vorort von San Sebastian steigen wir aus und machen uns daran einen Berg Richtung Jugendherberge zu erklimmen. Doch bei einer Zwischenfrage an einen Einwohner nach dem Weg entpuppt sich die Suche als vergeblich: „Se quemo“. Wörtlich: Sie hat sich verbrannt. Uns wundernd, wie eine Jugendherberge sich selbst verbrennen kann und vor allem: warum - steigen wir wieder ab.
Und finden – finally – die zweite Jugendherberge. San Sebastian erweist sich beim Ausgehen als sehr schöne Stadt, mit engen Gassen, netten Bars und einer idyllischen Bucht.

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